Auf den Einzelhandelsflächen der Zukunft bewegen sich Gabelstapler
Amazon hat 2012 als einzelner Online-Shop mehr als doppelt so viel Umsatz erzielt wie die Kaufhof AG in 137 Filialen. Gleichzeitig wächst der Umsatz von Amazon seit vielen Jahren um rund 20 bis 25% pro Jahr, während Kaufhof aktuell bei nur 1% stagniert. Dabei ist der Online-Anteil des Einzelhandels in Deutschland immer noch erst bei 7,5% des gesamten Umsatzes, mit schnell wachsender Tendenz. Im Ergebnis erleben wir dank des stürmischen Wachstums des Online-Handels und dank der Robustheit der deutschen Industrie nun auf dem Markt für Unternehmens- und Logistikimmobilien ein Rekordjahr nach dem anderen.
Bildet sich durch den Online-Handel hier ein Trend, dass Unternehmens- und Logistikimmobilien profitieren, während Einzelhandelsflächen verlieren? Dass sich auf diesem Sektor eine Menge ändern wird, dafür gibt es starke Signale. Am 24. Januar sprach schon das Handelsblatt auf der Titelseite davon: „Der neue Handelskrieg: Online-Kaufhäuser greifen den Einzelhandel massiv an“. Offen ist nur, wann diese Signale bei den Entwicklern und Investoren richtig wahrgenommen werden und dann auch Verhaltensänderungen auslösen.
Denn noch immer läuft das Geschäft in den altvertrauten Bahnen. Kein anderes Segment des deutschen Immobilienmarktes war bei Investoren in den letzten Jahren so beliebt wie der Einzelhandel. Und in keinem anderen Segment des Immobilienmarktes waren Investoren bereit, so viel für einen Quadratmeter Fläche zu bezahlen, wie im Einzelhandel. Durch teilweise dreistellige Mieten und hohe Faktoren entstehen hier leicht Preise über 20.000 € pro Quadratmeter. Sie sind damit weit entfernt von den Wiederherstellungskosten und offenbar Ausdruck ihrer noch vorherrschenden Knappheit bzw. der geringen Verfügbarkeit. Und genau darin liegt auch das Risiko bei wieder sinkenden Mieten aufgrund nachlassender Umsätze und sinkender Konsumentennachfrage, dass heute offensichtlich nicht adäquat eingepreist wird.
Bei nüchterner Analyse ist kein anderes Immobilienmarktsegment so bedroht und gefährdet wie die Einzelhandelsfläche. Das gilt sicherlich nicht für die absoluten Bestlagen in der sog. High Street, um die sich alle Markenhersteller heute reißen. Diese rechtfertigen die hohen Mieten schon lange nicht mehr nur mit guten Umsätzen, eher mit der lokalen Markenpräsenz und dem Showroomcharakter der Flächen. Anders ist aber das Bild bei allen anderen Handelsflächen. Betriebswirtschaftlich betrachtet sind die erzielbaren Mieten für Handelsflächen nämlich abhängig von der Intensität des Wettbewerbs um diese Fläche und die Bedrohung durch Substitutionsprodukte.
Auch wenn manche Experten hartnäckig behaupten, dass sich Lagen in den großen Städten kaum verändern und langfristig stabil bleiben: Handel ist Wandel. Das war schon immer so, und das wird immer so bleiben. Die Passantenfrequenz und damit die Lagequalität besitzt eine hohe, von Händlern, Entwicklern und der Stadt selbst erzeugte Dynamik. Durch neue Ansiedlungen von Shops und die Entwicklung neuer Flächen kommt es zu Veränderungen, die sich schnell positiv aber auch negativ auf die Mieten in einem Objekt niederschlagen können. So kann es sein, dass zwar die Marktmiete steigt, aber eben nicht in jedem Einzelobjekt. Beispiele für solche Veränderungen am Mikrostandort sind etwa die Schließung eines Warenhauses, die Eröffnung eines Apple Stores oder eines anderen Magneten auf der anderen Straßenseite, das neue Shopping Center in der Stadt, die Einrichtung einer Busspur oder einer Parkbewirtschaftung, etc. Gleichzeitig verändern sich die Mieter selbst, ihre Handelskonzepte und ihre Bonitäten mit hohem Tempo.
Investoren wünschen sich, dass ein zur Spitzenmiete und zur Spitzenrendite eingekauftes Top-Objekt im Wert weiter steigt oder zumindest stabil bleibt. Doch das Risiko erscheint außerordentlich hoch, dass dies so nicht eintritt – aus Gründen, die vom Investor nicht beeinflussbar sind. Noch prekärer ist die Gefahr durch Substitutionsprodukte: Wenn alle Kunden ihre Bücher online bestellen, bangen Buchhändler um ihre Existenz. Und wer hätte sich vorstellen können, dass Kunden selbst Schuhe online bestellen werden.
Rechnet man den Online-Handel aus den Statistiken heraus, dann bewegen sich die Einzelhandelsumsätze in Deutschland seitwärts. Kein Grund also für Knappheit oder steigende Mieten, erst recht nicht für die hohen, wenig risikoadäquaten Kaufpreisfaktoren. Ganz anders dagegen im Markt für Unternehmens- und Logistikimmobilien: Nach Erhebungen von Prologis erzeugt ein Online-Umsatz von 1 Mrd. € einen zusätzlichen Flächenbedarf von rd. 72.000 qm in Europa. Der Online-Umsatz ist von rd. 8 Mrd. € in 2005 auf 36 Mrd. € gestiegen und nimmt dem stationären Handel immer mehr Anteile ab.
Im Gegensatz zu reinen Logistikobjekten sind die von Onlinehändlern nachgefragten Objekte für Investoren häufig interessanter. Auf den Flächen werden wesentlich mehr Mitarbeiter beschäftigt, daher werden integrierte Standorte mit guter ÖPNV-Anbindung gesucht, die Flächen sollen modular erweiterungsfähig, multifunktional und reversibel sein. Das sind Attribute, die herkömmliche reine Logistikflächen nicht erfüllen, wohl aber viele Unternehmensimmobilien mit Mischnutzung. Sobald also ein Gabelstapler über die Einzelhandelsfläche fährt und zahlreiche Mitarbeiter mit dem Verpacken von Online-Aufträgen beschäftigt sind, kann mit dem passenden Objekt nicht nur von einer vergleichsweise hohen, sondern auch von einer zukunftsträchtigen Rendite ausgegangen werden.
Insgesamt bildet sich die Erkenntnis heraus, dass der wachsende Online-Handel in den nächsten Jahren die Wirtschaftlichkeit und die ökonomische Nachhaltigkeit von Handelsflächen stark beeinflussen wird. Und der Substitutionseffekt wird die Nachfrage nach Unternehmens- und Logistikimmobilien weiter beflügeln. Das wird die Handelsflächenverliebtheit der Investoren sicherlich treffen.
Mit freundlicher Empfehlung
Dr. Stephan Bone-Winkel