19. April 2012

Die Fläche bekomme ich immer wieder vermietet

19. April 2012

Immobilien müssen über lange Zeiträume betrachtet werden, um zu sehen, ob sie den Eigentümern auch wirklich Freude bringen. Doch es gibt nur wenige bis gar keine dokumentierten Lebenszyklen von realen Gebäuden, so dass Annahmen über wirtschaftliche Restnutzungsdauern tatsächlich eher theoretischer Natur sind. Vielmehr sagen Eigentümer unisono, dass sie „gute“ Objekte immer wieder vermietet bekommen.

 

Hier nun ein interessanter Fall, dessen Langzeitbetrachtung durch Wikipedia und Internetrecherche gut zugänglich ist:

 

Wer heute in Frankfurt an der Taunusanlage Ecke Mainzer Landstraße vorbeifährt, sieht ein bekanntes Hochhaus, das bis auf den Rohbau zurückgebaut worden ist. Es ist 40 Jahre alt und erfährt nun die zweite vollständige „Revitalisierung“. Es handelt sich um das 1972 errichtete Gebäude der ehemaligen Chase Manhattan Bank (16 Geschosse, 9.700 qm). Das Objekt wurde nach Auszug der Bank Anfang der 90er für einen offenen Immobilienfonds erworben und damals bereits komplett revitalisiert. Es erzielte als erstes Objekt in Deutschland eine Miete, die über 100 DM pro Monat lag (für eine Teilfläche). Das war ein großer Moment im Frankfurter Immobilienmarkt von 1992. Das Objekt konnte daraufhin wahrscheinlich zum 20-Fachen eingewertet werden, das wären 24.000 DM bzw. 12.000 € pro qm bei Annahme einer nachhaltigen Miete von 100 DM pro qm (100 DM * 12 / 0,05). Versetzen wir uns in die damalige Zeit und fragen uns, was wird das Objekt in 20 Jahren, also in 2012, wert sein?

 

Dem eher linearen Denken der Immobilienwirtschaft folgend, lässt sich ein solches Büro immer vermieten, da der Standort erstklassig (nicht duplizierbar) und die Fläche sehr gut für die aktuellen Mieterbedürfnisse ausgebaut ist. Dass die Fläche veraltet, sich die Mieterbedürfnisse ändern, technologischer Fortschritt passiert, Standorte sich drehen, das kann und darf man sich bei dem Kaufpreis nicht vorstellen. Vielmehr nimmt man Folgendes an: Die Miete lässt sich stetig steigern, zumindest in Höhe der Inflation. Nach heutigem realem Geld müsste die Miete von 1992 inzwischen 70 € pro qm betragen (20 Jahre Inflation mit 1,75% im Schnitt, d.h. 50 € * 1,0175^20), der Wert müsste bei rund 16.800 € pro qm liegen, wenn das Haus zur gleichen Cap Rate (70€ * 12 / 0,05) angesetzt wird.

 

Doch es kam natürlich anders:

  • Die Hauptmieter, eine renommierte Anwaltskanzlei und ein Finanzdienstleister, sind schon 2007 ausgezogen
  • Das Objekt stand danach leer
  • Die aus dem Objekt erzielte Ausschüttung dürfte in den letzten 20 Jahren hochwahrscheinlich deutlich unter 5% betragen haben, vor allem wenn man nicht umlagefähige Nebenkosten, Instandhaltung usw. berücksichtigt.
  • Das Objekt wurde zunächst im Paket an einen Hedgefonds und dann an einen Entwickler verkauft, der es bis 2013 komplett revitalisieren wird.
  • Die Spitzenmiete für Büroflächen liegt in Frankfurt heute inzwischen (wieder) bei 33 € und nicht bei 70 €.
  • Die Cap Rate liegt nach einiger Volatilität heute wieder bei rd. 5%.

Das Objekt erzielt nach heutiger Betrachtung einen grob geschätzten Verkaufspreis von 7.920 € pro qm (33 € * 12 / 0,05). Aber nur, wenn es komplett revitalisiert wurde, zur Spitzenmiete vermietet ist und zur Core Cap Rate verkauft werden kann.

 

Und was lernen wir aus der Geschichte?

Das moderne Bankhaus von 1972 und das revitalisierte Hochhaus von 1992 waren jeweils nach nicht mal 20 Jahren Nutzung nicht mehr wettbewerbsfähig am Vermietungsmarkt. Was beim Verkauf an den Developer übrig blieb, war kein von 12.000 € auf 16.800 € gestiegener Ertragswert, sondern nur der Bodenrichtwert plus Rohbaukosten. Und das passierte genauso schon 1992, und das Problem entsteht voraussichtlich auch spätestens wieder in 2032. Die wirtschaftliche Restnutzungsdauer von Büroobjekten im Top-Segment nimmt deutlich ab, entsprechend nimmt der von den Eigentümern im Abstand von 5 bis 10 Jahren zu kalkulierende Revitalisierungsaufwand erheblich zu.

 

Und dennoch: Diese Geschichte ist kein Einzelfall. Sie wiederholt sich gerade wieder. Alle suchen nur Core-Objekte, die sie ja immer wieder vermietet bekommen …

 

Mit freundlicher Empfehlung
Dr. Stephan Bone-Winkel

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