CREM to go

Generation Alpha – Alles zurück auf Anfang?

16. Dezember 2020

Kollaboration, Partizipation und Kreation bestimmen zunehmend unsere Arbeitswelten. Zeit, aus bekannten Strukturen auszubrechen!

Von Marie de Vries, Swiss Life Asset Managers

 

Im Gleichschritt zwischen Rück- und Fortschritt?

Gerade angekommen in einem Bürokosmos, der von Konzepten wie Open Spaces, Wissenshubs und Shared Desks geprägt ist, lässt uns die Covid-19-Pandemie eine Renaissance der Zelle in Erwägung ziehen und veranlasst Unternehmen zu Flächenumstrukturierungen, -erweiterungen oder gar ‑reduzierungen. Während einige Unternehmen angesichts groß angelegter Home- oder Mobil- Office-Offensiven klassische Büroflächen mit fest zugewiesenen Arbeitsplätzen als redundant erachten und einzelne Räumlichkeiten umfunktionieren oder stattdessen temporäre Coworking-Spaces in Anspruch nehmen, sehen wiederum andere das Bedürfnis nach Kommunikation und Zusammenarbeit umso mehr wachsen. Das Resultat: In die Konzepte von morgen fließen weitläufige, offene Begegnungsräume ein, der Flächenbedarf nimmt angesichts der Abstandsregelungen sogar zu. Wer sich also sicher war, wie das Büro der Zukunft im Schnitt aussieht, wird dieser Tage eines Besseren belehrt. Doch ob Einzeller, Open oder Flexible Office – feststeht, dass sich aktuell mehr denn je bewusst mit den eigenen Räumlichkeiten auseinandergesetzt wird, um einerseits Potenziale zu heben und andererseits den Ansprüchen der Arbeitnehmer von übermorgen noch gerecht zu werden.

 

Denn nicht mehr lange und eine neue Komponente wird für ein Um- und Weiterdenken in der Berufswelt sorgen: der Nachwuchs der Millennials, die sogenannten Alphas. Eine Generation, geboren zwischen 2011 und 2025, aufgewachsen mit Technologie und KI, gewachsen an Werten, die über Statussymbole und Erfolg hinausgehen. Auch wenn sowohl die Alphas selbst als auch ihre Erforschung höchstens in den Kinderschuhen stecken, rücken sie bereits in den Fokus der Marketing- und Personalabteilungen. Wird analog zur Namensnennung der „Gen α“ alles Bestehende auf Null gesetzt oder wird das, was von Gen Y und Z bereits angeschoben wurde, in den kommenden Jahren konsequent fortgeführt und als fester Bestandteil in die Unternehmensstrategien einfließen? Der Wandel ist bekanntlich die einzige Konstante. Insbesondere im „War for Talents“ spielen neben der Lage mittlerweile auch die Ausstattung und Kultur eine gewichtige Rolle beim Entscheidungsprozess der Young Professionals. Doch welche Ansprüche werden die Alphas konkret erheben, was ist für sie essenziell und wie wirkt sich dies auf die Immobilienwelt aus? Immerhin haben wir auch nicht damit gerechnet, dass das Modell „Open Space“ das verstaubte Image des unpersönlichen, lärmenden Großraumbüros wieder rehabilitiert oder hierarchische Strukturen immer seltener an Eckbüros und Firmenwagen abgelesen werden können.

 

Flexibilität auf allen Ebenen

Um zu erahnen, wie sich die Alphas ihr Berufsleben vorstellen und die Liegenschaften dementsprechend auszugestalten sind, müssen wir also zunächst begreifen, in welche Welt sie hinein geboren werden, und verstehen, welche Aspekte ihr Privatleben prägen werden. Während bis vor Kurzem noch die Work-Life-Balance hoch gelobt wurde, wird die strikte Trennung von Freizeit und Arbeit, von Home und Office relevanter denn je. Im aktuellen Pandemie-Kontext lernen wir allem voran auch die räumliche Distanz beider Lebensbereiche sehr zu schätzen. Was hier allerdings eine noch entscheidendere Rolle spielt, ist ein größtmögliches Maß an Freiheit und Flexibilität. Je nach Arbeitspensum, Aufgabenspektrum und vielen weiteren Faktoren liegt den Alphas viel daran, selbstbestimmt entscheiden zu können, wo, wie und wie lange sie arbeiten. Neben den eigenen vier Wänden sind vielerorts auch sogenannte dezentrale Satelliten in peripheren Lagen für Remote-Working im Gespräch, um den Arbeitnehmern kürzere Arbeitswege bieten zu können. Auch eine Reduzierung der Arbeitszeit ist vermehrt Bestandteil der öffentlichen Debatte – neben dem firmeninternen Desksharing wäre damit einhergehend sogar eine generelle Zweifachnutzung einer Unternehmensimmobilie denkbar, um Kosten zu minimieren und Flächenpotenziale zu maximieren.

 

Doch auf welcher Ebene die Flexibilität auch greifen mag: Grundvoraussetzung ist neben der Digitalisierung und Technologisierung das Vorhandensein flacher Hierarchien und viel Raum für Mitgestaltung und Partizipation. Das wird und muss sich auch in den Büros und dazugehörigen Gemeinschaftsflächen widerspiegeln. Offene Raumstrukturen stützen die Kreativität und schaffen Platz für kollaboratives Arbeiten auf Augenhöhe. Wissenshubs und die Möglichkeit, Gedanken, Flächen und Schreibtische zu teilen, regen zu Innovationen an und bieten allen Arbeitnehmern die Chance, sich aktiv einzubringen und das Unternehmen individuell voranzutreiben.

 

Eben diese Form des Zusammenwirkens soll zum Beispiel auch in den neuen Räumlichkeiten von Swiss Life Asset Managers, der Swiss Life KVG und Corpus Sireo gelebt werden: Die Flächen in der Darmstädter Landstraße 125 in Frankfurt bieten mit Desksharing, Open Spaces und Work Café ein Maß an Flexibilität und Begegnungsstätten, die es künftig braucht, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden und dem Kollegium eine inspirierende Umgebung zu bieten. Es geht schon den Gen Y und Z um Kollaboration, Kommunikation und Kreation, doch die Alphas werden diese Entwicklung noch intensiver leben.

 

Das Büro – mehr als nur ein Arbeitsplatz

Damit wären wir beim Kern der Diskussion: Das Büro wird trotz oder gerade wegen des mobilen Arbeitens voraussichtlich alles andere als überflüssig, bekommt allerdings einen anderen Stellenwert zugewiesen. Das Headquarter fungiert als Kreativitäts- und Wissenshub, als lokale Zentrale, die die Unternehmenskultur repräsentiert und Raum zur Identifikation zulässt. Die Alphas möchten sich zugehörig fühlen und das funktioniert nur dann, wenn die persönlichen Werte mit denen des Arbeitgebers übereinstimmen. Hier wird wiederum nicht zwischen Berufs- und Privatleben getrennt, denn was im Individuellen greift, sollte mit beruflichen Überzeugungen und Ansichten übereinstimmen. Somit wird das Unternehmen mitunter Ausdruck der Persönlichkeit, das Employer Branding zum Dreh- und Angelpunkt. Den querdenkenden, reflektierten, nach Selbstverwirklichung strebenden Alphas müssen Mehrwerte geboten werden statt klassischer Monetarisierung. Das Gehalt ist keine primäre Messgröße mehr, auch wenn den Kindern der Millennials trotz freier Entfaltung viel an einem unbefristeten Arbeitsvertrag liegt. Sicherheit und der soziale Aspekt stehen im Fokus. So hoffen laut einer Umfrage von Ernst & Young 41 % der Studenten auf eine Anstellung im Öffentlichen Dienst – gefolgt von Kultureinrichtungen (22 %) und Wissenschaft (20 %).

Diese Präferenzen stehen stellvertretend für das, was den Generationen Y, Z und Alpha am Herzen liegt und sie vereint: soziale Gerechtigkeit, gesellschaftliches Engagement, eine stabile Wirtschaft und ESG-konforme Unternehmensstrukturen.

 

Nachhaltigkeit und Vernetzung

Letzteres ist äußerst präsent und damit ebenso ausschlaggebend für die Wahl des Arbeitgebers: Dabei wird Nachhaltigkeit divers gedacht und betrifft demnach sowohl potenzielle Gebäudezertifizierungen und Mobilitätskonzepte als auch die Büroausstattung, Personalführung und Partnerschaften. Der Schutz von Umwelt und Mensch ist wichtig, der Wunsch nach Klimaneutralität groß. Was kann ich als Unternehmen dazu beitragen? Wie wirtschafte ich nachhaltig? Und wie binde ich meine Mitarbeiter langfristig? All das sind Themen, die in das große Feld der Nachhaltigkeit einzahlen. Erneuerbare Energien, das papierlose Büro, alternative Baumaterialien wie Holz, soziale Projekte und ausgesuchte Kooperationspartner sind nur einige der vielen Maßnahmen. Außerdem spielt auch hier die Digitalisierung eine nicht zu unterschätzende Rolle. Zahlreiche Technologien können helfen, Nachhaltigkeitsziele umzusetzen und den Arbeitsalltag zu erleichtern. So trägt der technische Fortschritt zum Beispiel dazu bei, weniger ausdrucken zu müssen, in Zeiten wie diesen trotz der räumlichen Distanz vernetzt zu bleiben und Ressourcen besser planen zu können. Zwar muss man auch im Blick haben, dass große Datenmengen ebenso CO2 produzieren, jedoch kann auch hier über Möglichkeiten nachgedacht werden, wie die weitere Nutzung der Serverwärme.

 

Von der Technologie zur Robotik?

Die Alphas wachsen in einer digitalen und smarten Welt auf, sodass die Büroflächen von morgen entsprechend ausgestattet sein müssen, um zu punkten. So gibt schon ein Großteil der Gen Z – der „Digital Natives“ – an, mit Spitzentechnologie arbeiten zu wollen und dass diese die Jobwahl bei ähnlichen Stellenangeboten beeinflussen würde. Der Grad der Digitalisierung kann dabei von Branche zu Branche unterschiedlich ausfallen: Von einfachen Systemen und Programmen zur Videotelefonie und digitalen Signierung über 5G und Smart Buildings bis hin zu virtuellen Nachbauten wie Avatare oder Industrierobotern, Cobots (kollaborative Roboter, die mit Menschen interagieren) und Exoskeletten (künstliche, mechanische Strukturen, die vom menschlichen Körper getragen werden). Was anmutet, als läge es noch in weiter Ferne und wäre eher in Science-Fiction-Filmen als in deutschen Büros vorzufinden, ist partiell schon wahrgewordene Realität. Die sogenannten Exoskelette kommen bereits in der Medizin zum Einsatz, im Logistik- und Produktionssegment sind es wiederum Industrieroboter und Drohnen, die Prozesse vereinfachen. Laut Statista wird für das Jahr 2025 ein weltweiter Umsatz mit Industrierobotern von rund 18,25 Milliarden US-Dollar prognostiziert, bis 2030 könnten 25 % unserer heute existierenden Jobs von Maschinen übernommen werden. Allein in Deutschland kommen auf 10.000 Beschäftigte 338 Exemplare dieser Art – das entspricht nach Singapur und Südkorea bereits Rang 3 weltweit. Dies liegt mitunter daran, dass die Automobilindustrie die absatzstärkste Branche für Industrieroboter darstellt. Doch auch unabhängig von Avataren und Robotik konkurriert die digitale Welt immer besser mit der „echten“ Umgebung – die Verflechtung virtueller und realer Arbeitsbereiche muss auch auf die Bürofläche übertragen werden, ähnlich wie im Einzelhandel die On- und Offline-Kanäle.

 

Mit den Alphas geht es demnach nicht zurück auf Anfang – stattdessen werden viele Konzepte und Modelle, die in ihren Anfängen bereits in unseren Bürowelten etabliert wurden, weiterentwickelt und auf neue Gegebenheiten übertragen. Kollaboration, Kommunikation und Kreation stehen dabei im Fokus der Generation, die in den kommenden Jahren heranwächst, und prägen die Unternehmensimmobilien von morgen und übermorgen. Während das Gebäude dabei die Hardware darstellt, sind die technische und räumliche Ausstattung sowie Einrichtung als Software zu begreifen. Nur wenn beides stimmt und ineinandergreift, funktioniert das Büro der Zukunft.

 

WELT DER WIRTSCHAFT

Zahl des Monats

9 Prozent der Beschäftigten in Deutschland würden nach einer Befragung von Workthere, der Vermittlungsplattform für Flexible Offices von Savills, bevorzugt in einer flexiblen Bürofläche arbeiten – in Spanien oder Irland hingegen 35 Prozent. Deutsche Büronutzer präferierten konventionelle Büroformen oder das Homeoffice.

 

Quelle: Workthere.com (Juli 2019)

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