„Life Science“ – Immobilien für Wissenschaft und Forschung
Ein neues Segment erobert sukzessive auch die professionellen Immobilienmärkte in Deutschland. Die Rede ist von „Life Science“, also Objekten für Unternehmen aus Forschung und Produktion im Gesundheitswesen. Ein repräsentatives Beispiel für dieses Segment ist der „Curve Campus“ in Berlin-Adlershof, den Swiss Life Asset Managers und BEOS im Juli 2021 für den neuen Fonds „BEOS Berlin Prime Industrial“ erworben hatten. Der Campus ist in Adlershof bestens verortet, denn dort bilden auf 4,2 Quadratkilometer rund 1.200 Unternehmen und wissenschaftliche Einrichtungen Deutschlands größten Wissenschafts- und Technologiepark sowie Berlins größten Medienstandort.
Der Begriff Life Science steht für Aktivitäten im Bereich Gesundheitsforschung. Dazu gehören unter anderem Biowissenschaften, Diagnostik, Genomkartierung sowie die Entwicklung und Herstellung von medizinischen Geräten. Der demografische Wandel macht diese Arbeit nicht erst seit der Corona-Pandemie immer wichtiger. Folglich gewinnen auch Immobilien, die derartigen Unternehmen Flächen bieten, an Bedeutung. Während sich das Segment „Life Science“ im Ausland bereits zu einer eigenen Assetklasse entwickelt, steckt es hierzulande allerdings noch in den Kinderschuhen. Woran liegt das, und was macht den Sektor für Projektentwickler und Investoren so interessant?
Spezielle Anforderungen an die Immobilie
Entsprechend spezialisierte Nutzer haben andere, zum Teil komplexe Anforderungen an Immobilien als klassische Gewerbemieter. So nutzen sie neben Räumen zur Lagerung und Backoffice-Bereichen oft Laborräume. Je nachdem, welche Substanzen in die Prozesse involviert sind, werden Reinräume ohne Ecken und Kanten oder besondere Sicherheitsvorkehrungen für den Abtransport von teils radioaktiven Abfällen benötigt. In manchen Fällen sind zudem (ärztliche) Untersuchungszimmer nötig, um Tests durchzuführen. Im Curve Campus sind 33 Prozent der Flächen für solche Nutzungen geeignet. Genutzt werden diese aktuell durch das Unternehmen For Life, das auf die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb von modernen, zuverlässigen Medizinprodukten für die Stoma-, Tracheostoma- und Wundversorgung im privaten und klinischen Bereich spezialisiert ist.
Neben dem „Curve Campus“ in Berlin ist der „Campus Oberhafen“ im Osten von Frankfurt am Main ein Beispiel für eine moderne Life Science-Immobilie. Schon in den 1920er Jahren wurde hier pharmazeutisch geforscht und produziert. So wurde an diesem Standort das erste Asthmaspray Deutschlands entwickelt. Heute bietet das Objekt mit rund 49.000 Quadratmetern Fläche multifunktionale Büro-, Labor- und Lagerräume mit entsprechenden Sicherheitsstufen für biochemische und synthetische Labore.
Früher waren Labornutzungen eher in peripheren Lagen rund um Großstädte angesiedelt und beanspruchten große Flächen. Heute ist jedoch ein innerstädtischer Flächenmix wichtiger als je zuvor. Ebenso wichtig wie die Laboratorien selbst sind auch die dazugehörigen Büroflächen. Dieser Trend hat zwei Gründe: Life-Sciences-Unternehmen benötigen qualifizierte Mitarbeiter, die hohe Ansprüche an ihre Arbeitsumgebung haben. Moderne Flächen und eine gute Anbindung ans Verkehrsnetz gehören zu den Hauptkriterien. Zudem findet in diesem Segment verstärkt Primärforschung unter Einsatz von Technologie statt. Daher verbringen die Mitarbeiter mehr Zeit im Büro als im Labor. Beim „Campus Oberhafen“ handelt es sich übrigens um einen Sonderfall: Das Areal war ehemals am östlichen Stadtrand Frankfurts, ist jedoch über die Jahrzehnte in die stetig expandierende Mainmetropole „hineingewachsen“.
Ein kleiner Markt mit großen Wachstumschancen
Life Science beschreibt in Deutschland noch ein kleines Immobiliensegment, bei BEOS fallen etwa fünf Prozent der Gesamt-Jahresnettokaltmiete in dieses Bereich. Zu spüren ist allerdings eine steigende Nachfrage aus dem Forschungssektor – sowohl auf Mieter- als auch auf Investorenseite, und das nicht erst seit Beginn der Covid-19-Pandemie.
Im Vergleich zu den USA ist auch der gesamteuropäische Markt noch klein. Nach Angaben des Urban Land Institutes betrug das Transaktionsvolumen in diesem Immobiliensegment im Jahr 2020 weniger als ein Prozent der insgesamt investierten 275 Milliarden Euro. Der Handel zeichnete sich durch einen hohen Anteil an grenzüberschreitenden Investoren aus. Die Anfangsrenditen liegen etwa 100 Basispunkte über dem Niveau von erstklassigen Büro- oder Wohnimmobilien.
Für Investoren bieten sich daher beste Einstiegsmöglichkeiten, auch, weil der Sektor attraktive Mieter hat: Die meisten Unternehmen verfügen über eine hohe Bonität und schließen langfristige Mietverträge ab, um sich spezialisierte Immobilien aus strategischer Sicht zu sichern.
Der Immobiliendienstleister CBRE geht davon aus, dass auch die deutschen Märkte für Life Science weiterwachsen werden, weil viele Investoren den Bereich als Ergänzung zum Healthcare-Segment mit Pflegeheimen, Krankenhäusern und ähnlichen Immobilien sehen. Zudem sind Mischformen zwischen Healthcare und Life Science denkbar. Dass Life Science Immobilien von immer mehr Investoren nachgefragt werden, bestätigt auch Michael Müller, beim Wirtschaftsprüfer Deloitte verantwortlich für den Bereich Real Estate. Dafür verantwortlich seien nicht zuletzt die hohe Flächennachfrage seitens potenzieller Mieter angesichts der Hochkonjunktur im Life-Science-Segment.