18. Januar 2011

Wie grün sind Green Buildings wirklich?

18. Januar 2011

Nur „grün“ ist in Zukunft vermietbar und investmentfähig und damit nachhaltig – dies zumindest versuchen die branchenüblichen Studien der großen Investment-, Beratungs- und Bankhäuser anhand von Expertenbefragungen zu beweisen: 63 % der Investitionsentscheider von Immobilienunternehmen und institutionellen Anlegern in Europa wollen „deutlich stärker“ in nachhaltige Gebäude investieren (Union Investment), 4,5 % ist die durchschnittliche zusätzliche Zahlungsbereitschaft der Mieter aufgrund von grünen Aspekten (Roland Berger), 3,0 % bis 11,8 % Aufschläge auf die Miethöhe und sogar 11,4 % bis 16,0 % auf die Verkaufspreise seien erzielbar, wenn es „grün“ genug wird (Degi Research).

 

An dem vermeintlichen Bekenntnis und dem Willen der Branche zur Nachhaltigkeit ist zunächst nichts auszusetzen. Problematisch ist jedoch, dass „nachhaltig“ häufig unreflektiert mit „grün zertifiziert“ gleichgesetzt wird. Die langfristige Werthaltigkeit der Immobilie über den gesamten Lebenszyklus wird allerdings oft genug aus den Augen verloren. Denn die Zauberformel ist immer gleich: Zertifikat. Ob LEED, BREEM, DGNB oder andere Labels, mit einem Zertifikat werden aus Immobilien „Green Buildings“. Nahezu alle diese Zertifikate haben eine Gemeinsamkeit – sie legen den Fokus auf Energieeffizienz in der Nutzungsphase der Immobilie. Ausgeblendet wird hingegen zu oft die Gesamtökobilanz eines Gebäudes über den ganzen Lebenszyklus. Dies ist zugegebenermaßen ein komplexes Unterfangen und noch aufwändiger als die derzeit ohnehin schon kostenintensiven Zertifizierungen. BEOS setzt den Schwerpunkt deshalb anders:

 

Für uns sind nicht die zertifizierten High-Tech-Neubauten die wirklichen „Green Buildings“, sondern Bestandsobjekte, die revitalisierbar sind. Der Grund: Die Produktzyklen, auch bei Immobilien, werden immer kürzer. Technische Standards und Innovationen von heute gelten in immer kürzeren Abständen als veraltet. Was heute als „Green Building“ zertifiziert wird, ist in naher Zukunft bereits Standard und kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Zertifikate mögen in der jetzigen Übergangsphase vereinzelt eine Hilfestellung sein. Mittel- bis langfristig gibt es allerdings keinen anderen Weg, als nachhaltige Aspekte zum festen Bestandteil von Immobilien werden zu lassen – und zwar über deren gesamten Lebenszyklus.

 

Dabei muss gewährleistet sein, dass Immobilien anpassungsfähig sind. Moderne zertifizierte „Green Buildings“, in der Regel monofunktionale Bürogebäude, sind dies meist nicht. Ganz anders die von uns bevorzugten multifunktionalen Unternehmensimmobilien. Sie verfügen über eine robuste Grundstruktur und bieten genügend Spielraum für Veränderungen. Sie lassen sich auf unterschiedliche Nutzer und Bedürfnisse flexibel anpassen. Dabei kommt es nicht auf das Alter, und noch weniger auf das aktuelle Zertifikat der Immobilie an. Viel wichtiger ist, dass aktuelle Umweltstandards passend zur aktuellen Nutzung im Objekt umgesetzt und ohne unverhältnismäßig hohen Aufwand geändert werden können. Diese laufende Anpassung der Immobilie an die Bedürfnisse der Nutzer ist wahre Nachhaltigkeit. Die einmalige Zertifizierung einer nur für kurze Zeit bestehenden technologischen Spitzenposition ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit.

 

Eine weitere Schwierigkeit bei zertifizierten Objekten: Mit Ausnahme der Blue-Chips sind die meisten Nutzer bislang kaum bereit, für „grüne“ Aspekte mehr Miete zu zahlen. Wirtschaftliche oder rechtliche Grenzen machen es für die Eigentümer zudem schwierig, die Mieter an den Kosten für das Mehr an „Grün“ zu beteiligen. Eine aktuelle Studie der Deutschen Bank zum Thema „Nachhaltige Gebäude – von der Nische zum Standard“ beleuchtet dieses so genannte „Agency Problem“. Nutznießer der aktuellen Zertifizierungsmode sind häufig nur die Berater und Ingenieure, die die Zertifikate ausstellen, weniger die Nutzer selbst. Genau aus diesem Grund investieren wir in unsere Objekte, statt Mittel für eine aufwändige Zertifizierung auszugeben. Das bringt messbare Vorteile für unsere Mieter, beispielsweise durch stabile oder gar gesunkene Betriebskosten. Im Umgang mit Bestandsobjekten befolgen wir dabei folgende Prämissen:

  • Gebäude nicht in immer kürzeren Abständen durch neue ersetzen, sondern nur die klimarelevanten Komponenten wie Gebäudehüllen oder Teile davon, z.B. Fenster, Dächer sowie Haustechnik erneuern
  • Maßnahmen umsetzen, die den Mietern Vorteile bringen, statt nur auf Imagegewinn und damit Kaufpreiserhöhung im Verkaufsfall abzustellen
  • Energetisch wirkungsvolle Maßnahmen realisieren, statt unreflektiert Modetrends zu folgen – z. B. durch die Effizienzsteigerung und Reduktion der Umweltbelastung bei der Energieerzeugung
  • Innovative Finanzierungsmodelle wie z.B. Contracting nutzen, um Investitionen zu realisieren und auch die Mieter an den Kosten beteiligen zu können
  • Anlagen bei Bedarf dezentralisieren, um Erzeugungs- und Übertragungsverluste zu minimieren, statt in die Aufrechterhaltung veralteter Systeme zu investieren
  • Synergieeffekte nutzen: entweder auf Portfolioebene oder durch gemeinsame Anlagen und Projekte mit Nachbarn, statt Einzellösungen zu verfolgen
  • Benchmarking im Portfolio betreiben, um positive Effekte einzelner Maßnahmen auf andere Objekte nach dem „Best Practice Prinzip“ zu übertragen und gleichzeitig Optimierungspotenziale aufzudecken und zu realisieren

Bei dieser Strategie der kleinen Schritte zählt die Summe der einzelnen Maßnahmen und nicht das eine imagewirksame Zertifikat. Dabei setzen wir auf gleichermaßen ökologische wie ökonomische Maßnahmen. Wir orientieren uns am Nutzen für die Mieter und nicht an den vielleicht möglichen Vorteilen beim Verkauf des Objektes. Denn wie bei der Vermietung sind auch die Verkaufsvorteile trügerisch. Wenn sie gelten, dann nur eingeschränkt beim Erstverkauf. Bei einem Wiederverkauf oder einer Nachvermietung hingegen drohen erhebliche Investitionen, da die in die Jahre gekommenen Immobilien dann nicht mehr dem neuesten Standard entsprechen, um eine über dem Marktniveau liegende Miete zu rechtfertigen.

 

Nur wenn Bestandsobjekte die Fähigkeit besitzen, sich neuen Anforderungen mit vertretbarem Aufwand anzupassen und dabei im Markt konkurrenzfähig zu bleiben, entsprechen sie im ökologischen wie im ökonomischen Sinn dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Diese Objekte sind attraktive Investments, unabhängig vom Zertifikat.

 

Mit freundlicher Empfehlung
Martin Czaja

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