5. April 2011

Wie werthaltig sind Investments in 1-A-Lagen tatsächlich?

05. April 2011

Deutsche Immobilien sind wieder en vogue. Eine Reihe von Investoren hat Italien, Spanien und anderen Ländern nach den krisenbedingten Turbulenzen den Rücken gekehrt und konzentriert sich dafür wieder auf Düsseldorf, München oder Berlin.

 

Hier locken die vermeintliche Stabilität und eine vergleichsweise ordentliche Rendite. Voraussetzung für fast alle diese Investoren ist ein bonitätsstarker Mieter und eine herausragende Lage. Daran ist grundsätzlich auch nichts auszusetzen. Das Problem dabei ist jedoch, dass für die meisten Investoren der Terminus 1a-Lage gleichbedeutend mit Begriffen wie Königsallee, Maximilianstraße oder Kurfürstendamm ist. Manchmal hat man schon fast das Gefühl, dass das Motto vieler Investoren lautet: Je teurer, desto mehr 1a ist die Lage.

 

Viele haben allerdings bei diesem Motto die Rechnung ohne den Wirt gemacht – oder um in unserem Beispiel zu bleiben, ohne den Mieter. Denn eine teure Immobilie hat in der Regel auch ein relativ hohes Mietniveau zur Grundlage. Die meisten Unternehmen in Deutschland sagen sich jedoch: Je teurer die Miete in dem Objekt, desto unattraktiver ist sie für mich. Das gilt insbesondere für den Mittelstand, der 99 Prozent aller deutschen Unternehmen ausmacht und 70% aller Arbeitnehmer beschäftigt.

 

Unternehmen des deutschen Mittelstands forschen und produzieren vielfach und wollen ihre Produkte anschließend lagern und vertreiben. Und klar ist, dass diese Unternehmen ihre Produktions-, Lager- und Büroflächen nicht auf der Königsallee anmieten. Eine A-Lage ist für diese gewerblichen Mieter nicht die A-Lage, wie sie klassische Büromieter für sich definieren. Geschäftsräume haben für den Mittelstand eher einen funktionalen Charakter. Besonders wichtig ist für die mittelständischen Unternehmen ein geeigneter Flächenmix sowie spezielle Standortcharakteristika, die gute Bürolagen in der Regel nicht bieten. Sie bevorzugen eher nutzwertige Immobilien in scheinbaren B-Lagen, wo Preis und Flächenzusammensetzung für sie stimmen. Abgesehen davon, dass die „Kö“ für viele ohnehin zu teuer wäre, werden dort kaum adäquate Unternehmensimmobilien angeboten.

 

Interessant ist übrigens, dass nicht nur der Mittelstand eine 1a-Lage anders definiert als viele Investoren. Auch immer mehr Großunternehmen und Top-Mieter kehren ihrem ehemals teuer errichteten Stammsitz den Rücken und ziehen um – teilweise verlagern sie das Geschäft sogar in andere Städte und sorgen damit bei Immobilieneigentümern und den betroffenen Kommunen für Verwunderung. So war es für viele Marktteilnehmer überraschend, als der Lübbe-Verlag von Bergisch-Gladbach nach Köln umzog. Jahrzehntelang hatte der größte Verlag in NRW der Stadt die Treue gehalten. Nun zog es ihn mit seinen 180 Mitarbeitern aber nach Köln-Mülheim. Selbst die Wirtschaftsförderung der Stadt Bergisch-Gladbach ließ öffentlich verlauten: „In Sachen Verkehrsanbindung, Gewerbeflächen und beim Medienumfeld hatten die Kölner die Nase vorn.“ Das Beispiel zeigt, dass sich eine B-Lage in einer A-Stadt aufgrund der Infrastruktur und des unterliegenden Erwerbsbeschäftigtenwachstums perspektivisch als günstiger erweisen kann. Und in die A-Lage hätte der Verlag aufgrund des Nutzungsprofils auch nicht gepasst.

 

Was sollten Investoren daraus lernen? Zu allererst sollten sie vor einer Investition anstelle einer Preisanalyse eine Nutzwertanalyse durchführen. Was teuer ist, muss noch lange nicht nutzwertig sein. In vielen Fällen kann das eine das andere sogar ausschließen. Je nach Geschäftsmodell des Unternehmens unterscheiden sich die Anforderungen an den Standort. Kreativunternehmen gehen lieber in urbane und durchmischte Quartiere, die rund um die Uhr aktiv sind. Unternehmen aus den Bereichen Produktion und Logistik bevorzugen hingegen eine gute Erreichbarkeit und Anbindung an ihre Kunden und die Wohnorte der Mitarbeiter.

 

Aus Investorensicht ist es daher oftmals zielführender, auf eine vermeintliche B-Lage in einer A-Stadt zu setzen als auf eine klassische A-Lage in einer A-Stadt oder einer B-Stadt. Mitnichten soll dies nun heißen, dass die teuren Premiumlagen für Investoren künftig tabu sind. Wohl aber bedarf es vor jeder Investitionsentscheidung einer Diskussion darüber, was in dem speziellen Fall wirklich eine 1a-Lage ist. Aus unserer Sicht ist eine 1a-Lage diejenige, die von den Nutzern nachgefragt wird, und die zu den Bedürfnissen der Mieter passt. Solche Lagen sind in der Regel geprägt durch eine adäquate Infrastruktur, eine gute Erreichbarkeit und eine urbane Anbindung – mit Sicherheit aber sind sie nicht ausschließlich durch einen hohen Kaufpreis und hohe Mieten definiert. Und die Immobilienwirtschaft muss erkennen, dass es nicht nur 1A-Lagen für Büro, Handel und Wohnen gibt, sondern dass sich auch innerhalb der einzelnen Segmente die Nachfrage seitens der Nutzer zunehmend differenzieren wird. Dadurch werden sich die Lagequalitäten deutlich verschieben und gleichzeitig auch das Preisgefüge und die Bodenrichtwerte. Viele Investoren kaufen teure 1A-Lagen mit dem Hinweis, „das bekomme ich immer wieder vermietet“. De facto aber zeigt der Markt, dass viele Unternehmen die 1A-Lage bei Ihrer Standortwahl links liegen lassen.

 

Mit freundlicher Empfehlung
Dr. Stephan Bone-Winkel
Dr. Christoph Holzmann
Martin Czaja

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